- 28. Mai – 24. Juni
In Leder
Galerie Auslage zeigt Käthe Kruses In Leder – ein in Leder gefasstes Schlagzeug. Die Arbeit nimmt Bezug auf Kruses objekthafte Produktionen, die in den 1980ern für die Gruppe Die Tödliche Doris entstanden sind. Jenseits von Nostalgie hat sie Kostüme und Instrumente für das neue Jahrtausend in zeitverschränkte Artefakte transformiert. Entkleidet vom Reliquienhaften präsentieren sie sich als Kunstwerke eigener Originalität.
Mit Anfang 20 verließ Käthe Kruse ihren Geburtsort und machte sich auf den Weg. In einem verwegenen Bustrip über Südeuropa, die Türkei, den Iran erreichte sie Indien und Nepal. In die beschauliche westfälische Kleinstadt mochte sie danach nicht mehr zurückkehren und ließ sich 1981 in Kreuzberg nieder, Westberlin. Berlin allegorisierte das in Warschauer Pakt und Nato geteilte Europa; und Westberlin – mit seinen verlassenen, verfallenden Gebäuden, Kohleöfen und Hundekot, der desolaten Ökonomie, einer brutalen Drogenszene, und von einer Mauer umgeben – schien das fortwährende Grau der deutschen 1950er, 1960er, 1970er Jahre wie in einer überhöhten Karikatur zu apostrophieren. Aber in der kargen, rauhen Enge gab es Leere und Räume. Waren Dinge möglich, wie woanders nicht. Man musste es nur selbst in die Hand nehmen, um aus der gegebenen Unordnung seine eigene Unordnung zu schaffen. Der Himmel über der Stadt stand weit offen, und Westberlin wurde zu einem Sehnsuchtsort westlicher Künstler*innen.
Im Dezember 1981 stand Käthe Kruse als schwarzgoldener Engel auf der Bühne des SO36 und lernte Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen kennen, die sie zu Die Tödliche Doris einluden; die drei bildeten fortan die Kernbesetzung der Künstlergruppe, die zu einem Hauptakteur innerhalb der Genialen Dilletanten wurde – des experimentellsten Austriebs der experimentellen Berliner Postpunk-Szene der 1980er Jahre.
Das Ensemble trat je nach (selbstbestimmter) Anforderung mal als Kunstkollektiv, mal als Schauspieltruppe, mal als Band in Erscheinung; mit dem Ineinandergreifen von Musik, Text, Performance, Video und Malerei entwickelte es neue Formate und lachte über gegebene Ordnungen und über Versuche, sie in herkömmliche Kategorien einzuordnen. Die Tödliche Doris hatte Auftritte im MoMa New York, im Pariser Musée d’Art Moderne oder auf der documenta 8. Sie manifestierte sich in performativen Auftritten und Filmen, auf Tonträgern – von Vinyl, Kassetten oder CDs bis hin zu Plastikspielzeugplatten nebst Abspielgerät oder einem “unsichtbaren” Album – , aber auch in Medien wie Buch, Malerei, Hautmuseum und schließlich als Wein – in dem sie sich 1987 (geplant) auflöste.
Käthe Kruse hat diese Zeit erlebt, durchlebt, überlebt, sie weiß, dass diese Jahre ihre Person und Charakter geformt haben, von einer Romantisierung oder Verklärung der 1980er ist sie aber weit weg. Sie weiß auch um die Umbarmherzigkeit der Jahre und um die verstorbenen Weggefährt*innen. Eine Art von Verbürgerlichen hat sie vielleicht davor gerettet: sie heiratete den Schweizer Autoren Yves Rosset, hat zwei Töchter mit ihm; ihren genossenschaftlichen Anteil an dem legendären, ehemals besetzen, Künstler*innen-Wohnprojekt in der Manteuffelstraße, hat sie verlassen, ist mit ihrer Familie um die Ecke gezogen, ins Private.
Ihr künstlerisches Arbeiten hat sie dabei nie aufgegeben. In definierten Werkzyklen arbeitet Kruse mit unterschiedlichen Materialien und Medien wie Film, Fotografie, Malerei oder Wolle. Sie präsentiert ihre Arbeiten in raumfüllenden Installationen, oft erweitert um Performances. Und wie sie in diese seit 2011 regelmäßig ihre Töchter Edda und Klara Kruse Rosset mit einbindet, trägt sie ein Stückweit das Private zurück ins Öffentliche.
Musik spielt immer eine Rolle, sei es wie bei ihrem Album »Le Sexe Rouge« von 1997, das sie über Jahre hinweg Song für Song installativ umsetzte, oder eben bei In Leder, ihrem Schlagzeug, das sie für eine Ausstellung 2013/2014 in der Zwinger Galerie in ein lederbezogenes Objekt verwandelt hatte. In einer Performance erweckte Kruse, in ein hängendes, begehbares Lederkleid gewandt, wiederum das Schlagzeug unter dem Objekt – in einem doppelten Wiederum war nun der Klang transformiert.
Text: Andreas Reihse
Käthe Kruse wurde 1958 in Bünde/Westfalen geboren, sie lebt seit 1981 in Berlin.
Von 1982 bis 1987 war sie Mitglied der Gruppe Die Tödliche Doris, mit Auftritten unter anderem im MoMA, New York, im Musée d’Art Moderne, Paris, im Club Quattro, Tokio oder auf der documeta 8, Kassel.
Von 1990 bis 1997 studierte Kruse Visuelle Kommunikation an der Hochschule der Künste Berlin; Abschluss mit Diplom bei Bernhard Boes und Meisterschülerin bei Heinz Emigholz.
Seit 1987 Einzelausstellungen unter anderem bei Zwinger Galerie, Berlin, Kagan Martos, New York, in der Kunsthalle Bremerhaven, oder in der Galerie der Stadt Schwaz, Tirol, Österreich.
Performances unter anderem im Walcheturm, Zürich, im Gracia, Barcelona, in der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof Berlin oder im Neuen Berliner Kunstverein.
2020 fand die Doppelausstellung Ich sehe in der Galerie Nord I Kunstverein Tiergarten und 366 Tage in der Zwinger Galerie in Berlin statt. Begleitet von einem Katalog mit Doppel-LP im DISTANZ Verlag, Berlin. Ihre Einzelausstellung Danke! Die Tödliche Doris zeigte sie im Circuit, Centre d’Art Contemporain, Lausanne.
2021 erhielt Käthe Kruse den eigens für sie eingerichteten PeterJacobiWerkPreis der Peter Jacobi Stiftung für Kunst und Design, Pforzheim.